Kategorien
Kommentare

Wir sind nicht alleine! Ein kleiner Einblick in die internationale Vernetzung von UBTB

Ein Kommentar von UNBLACK THE BOX-Mitglied Sigrid Hartong

Einer der zweifellos schönsten Aspekte des Arbeitens in der Wissenschaft ist die Möglichkeit, sich weltweit vernetzen zu dürfen, gemeinsam mit internationalen KollegInnen Projektideen zu entwickeln, Projekte durchzuführen, auf Konferenzen zusammenzukommen und gemeinsam zu schreiben. Als Teil meiner Heisenbergprofessur hatte ich im Herbst 2024 die Gelegenheit, drei Monate als Gastwissenschaftlerin an der Melbourne University tätig zu sein und die Vernetzung mit den großartigen KollegInnen vor Ort auszubauen. Melbourne ist nicht nur ein toller Ort zum Leben, sondern auch eine Art „Hub“ für kritische Datafizierungs- und Digitalisierungsforschung. Bereits in der Vergangenheit gab es einen regelmäßigen Austausch zwischen den KollegInnen vor Ort und uns von der UNBLACK THE BOX-Initiative. Im Rahmen des jüngsten Aufenthalts habe ich nun erneut inspirierende Einblicke in die Projekte vor Ort erhalten und möchte hierzu kurz berichten bzw. Ihnen und Euch unterschiedlichste Projekte, Personen und Materialien wärmstens zum Weiterlesen ans Herz legen:

1. Das Forschungszentrum „Digital Child“ wird federführend unter anderem von Prof. Julian Sefton-Green und Prof. Luci Pangrazio geleitet (beide von der Deakin University) und umfasst zahlreiche Universitäten in Australien, mit zusätzlichen assoziierten Forschenden aus anderen Regionen. Das Center hat zum Ziel, die Umgebungen von Kindern, Familien und Communities derart zu gestalten, dass eine selbstbewusste Gestaltung „digitaler Welten“ möglich wird. So arbeiten die KollegInnen im Center beispielsweise zu Themen wie Gesundheit(sförderung), Online-Sicherheit, Technologieeffekte für Kinder, aber auch an der aktiven Unterstützung von Familien, Lehrkräften und Politik-Akteuren. Auf der Homepage finden sich entsprechend diverse Ressourcen und Ideen für diese Zielgruppen, und damit auch inspirierende Ansätze der Wissenschaftskommunikation in diesem Bereich (z.B. für Eltern). Sicherlich decken sich nicht alle Ressourcen 1:1 mit den Ansätzen und Detailinhalten von UNBLACK THE BOX. Dennoch zeigt sich ganz klar, dass bestimmte Themen nicht mehr wegdiskutiert werden können und von Projekten und Initiativen rund um die Welt immer stärker in den Vordergrund gerückt werden (z.B. was macht Technologie mit Kindern, mit Interaktion und Beziehungen zu Hause und in der Schule, und wie muss hier bewusster und kritischer gestaltet werden?). 

2. Ebenfalls an der Deakin University tätig ist Dr. Chris Zomer, der nicht nur mehrere Forschungsarbeiten zur Datafizierung von „Student Engagement“ durchgeführt hat, sondern ebenso eine Datenbank für EdTech-Produkte als Co-Design-Projekt u.a. mit Eltern entwickelt hat. Im Artikel zeigt Zomer, „[…] how the database works as a pedagogical space where people learn how to critically unpack and think about contemporary EdTech platforms. The database is positioned as a point of convergence for different actors involved in children’s digital learning to collectively understand what needs to be done to enact and protect children’s digital rights in education.“ Ebenfalls absolut empfehlenswert.

3. An der Melbourne University selbst gibt es wiederum unterschiedliche KollegInnen, die im Bereich kritische Plattformforschung und KI in der Bildung tätig sind. Eine dieser Personen ist Prof. Carlo Perotta, der jüngst das Buch „Plug-and-play education“ auf den Markt gebracht hat, welches sich kritisch mit der Plattformisierung von Bildung auseinandersetzt. Auch Prof. Marcia McKenzie´s Arbeiten sind absolut lesenswert und bewegen sich vor allem an der Schnittstelle von Digitalisierung und Nachhaltigkeitsfragen. So hat sie beispielsweise dazu geforscht, wie Bildungsinstitutionen gleichzeitig Nachhaltigkeits- und Digitalisierungsprogramme implementieren (wollen), aber sich bislang kaum damit beschäftigen, wo diese Programme eigentlich massiv miteinander konfligieren.

4. Zusammen mit Prof. Kal Gulson von der Universität Sydney sind Marcia McKenzie und weitere KollegInnen in einem Großprojekt zu „Artificial intelligence in education: Democratising policy“ involviert, welches insbesondere auf die bislang fehlende Demokratisierung von KI-Implementierung im Bildungssystem fokussiert. Ziel ist die Förderung partizipativer Ansätze des Policy-Making, in dessen Kontext die Projektgruppe auch innovative Methoden erprobt (z.B. das AI Fairness Game). Auf der Seite des Education Future Studio können hierzu diverse Materialien und Informationen abgerufen werden.

Ich könnte diverse weitere Projekte und Personen auflisten, aber bereits hier sollte deutlich werden: Wir sind nicht alleine, auch nicht in Europa, sondern überall auf der Welt bekommen kritische Datenbildung und Fragen der demokratischen Gestaltung eines digitalisierten Bildungssystems zunehmend Bedeutung zugeschrieben und – ja – auch Fördergelder!

Und damit nicht genug. Ende Februar haben sich ForscherInnen aus aller Welt im Rahmen einer großen Vernetzungskampagne der “Critical Studies of Educational Technology (EdTech)” getroffen. Die Kampagne wurde von Prof. Neil Selwyn (Professor an der Monash University in Melbourne) initiiert. Über eine Woche hinweg fanden insgesamt 64 regionale Workshops auf allen Kontinenten statt, deren Ergebnisse aktuell zusammengetragen und veröffentlicht werden. Außerdem wird im Juni dieses Jahres die erste European Conference of Critical EdTech Studies (ECCES) in Zürich stattfinden (weitere Infos hier), ebenfalls mit dem Ziel das Feld noch stärker zu bündeln und Strategien für die Zukunft zu entwickeln. 

In Zeiten, in denen einen die weltpolitischen Nachrichten eher sorgenvoll in die Zukunft blicken lassen, müssen und dürfen wir diese tollen internationalen Kollaborationen und aktuellen Entwicklungen im Feld kritischer Datafizierungs- und Digitalisierungsforschung nicht vergessen. Und so werden auch wir von UBTB dranbleiben. Und zwar gemeinsam mit einem global stets wachsenden Netzwerk toller KollegInnen!