1: Die Wissenslücke – Zeit für kritische Datenbildung

Datentechnologien nehmen immer größeren Einfluss auf unser Leben, dennoch wissen viele BürgerInnen nur wenig über diese Entwicklungen. Wir zeigen auf, warum jetzt der richtige Zeitpunkt für kritische Datenbildung ist und was dabei beachtet werden sollte.

Warum brauchen wir Bildung über Daten? In diesem Kapitel geben wir einen Überblick darüber, was BürgerInnen über Datentechnologien wissen, wie sie zur Sammlung und Nutzung ihrer Daten stehen und was das für pädagogische Fachkräfte bedeutet. Denn jetzt ist ein guter Moment für kritische Datenbildung: Viele Menschen würden gerne mehr über digitale Technologien lernen und die Kontrolle über ihre Daten zurückerlangen – und neue Forschungsergebnisse verraten uns, wie das am besten geht.

Wissenslücke?

  • In 2018 hat eine Studie der NGO Doteveryone eine „massive Verständnislücke“ der britischen BürgerInnen in Bezug auf digitale Technologien identifiziert. Zum Beispiel wussten 83 % der BritInnen nicht, dass Daten, die andere über sie teilen, gesammelt werden und 70 % wussten nicht, dass kostenlose Apps mit Daten Geld verdienen.
  • In 2020 fand die Nachfolgestudie der NGO Doteveryone heraus, dass das Wissen der BürgerInnen zwar insgesamt gestiegen war, aber dennoch „oberflächlich bleibt“, insbesondere in Bezug auf die Geschäftsmodelle von Technologiefirmen und die Art und Weise, wie diese Daten verwenden.
  • Deutsche Studien kommen zu ähnlichen Ergebnissen: Eine Studie von 2020 identifizierte Wissensdefizite insbesondere „in Themen, die die Vernetzung von Daten behandeln und damit den souveränen Umgang mit den eigenen Daten besonders tangieren.“
  • Eine große internationale Studie von 2022 zeigte, dass weniger als die Hälfte der Teilnehmenden wussten, warum Google (43 %) oder Facebook (42 %) kostenlos sind. Außerdem wussten nur ca. ein Drittel der Teilnehmenden, dass Suchmaschinen personalisierte Ergebnisse für jede/n NutzerIn zeigen und 24 % hatten „keine Ahnung“, wie eine Suchmaschine die Ergebnisse ordnet.
  • Auch hinsichtlich Algorithmen offenbart sich eine kritische Wissenslücke: Eine europäische Studie zeigte in 2019, dass fast die Hälfte der EuropäerInnen nicht wusste, was ein Algorithmus ist oder „dass sie schon in vielen Lebensbereichen eingesetzt werden“.

Wissendurst!

Obwohl viele Menschen nur wenig darüber wissen, wie Datentechnologien funktionieren, wofür ihre gesammelten Daten verwendet werden und wie Internetplattformen Geld verdienen, zeigen Studien dennoch, dass den meisten BürgerInnen ihre Daten wichtig sind und sie wissen wollen, wie diese verwendet werden.

  • Eine deutsche Studie fand heraus, dass zwischen 71-76 % der über 30-Jährigen Datenschutz persönlich wichtig ist. Bei den 18-29-Jährigen sagten das immerhin 60 % der Befragten.
  • 89 % der BritInnen finden es wichtig, die Kontrolle darüber zu behalten, wie viele Daten sie mit einer Firma teilen, aber nur 25 % wissen, wie sie das herausfinden können und nur 19 % haben schon einmal datenschutzsensible Dienste verwendet.

Was bedeutet das für pädagogische Fachkräfte?

Jetzt ist ein entscheidender Moment für PädagogInnen –
und wir sollten diesem Wissensdurst wohlüberlegt begegnen.

Resignation

Viele Menschen würden gerne die Kontrolle über ihre Daten zurückerlangen und die Sammlung ihrer Daten limitieren, doch sie wissen nicht wie das geht und manche haben auch das Gefühl, dass „es sich nicht lohnt“, weil die Firmen doch sowieso einen Weg finden“.

Diese „Resignation“, oder auch „Überwachungs-Realismus“, den viele Menschen aus ihrem Alltag mit digitalen Technologien kennen, wurde von verschiedenen Studien, die die Haltungen von Menschen zu Datensammlung untersucht haben, bestätigt. Das Gefühl tritt demnach auf, wenn „eine Person glaubt, ein unerwünschter Ausgang [in diesem Fall: Datensammlung] sei unvermeidlich und sie fühlt sich machtlos, diesen zu stoppen“.

Resignation kann jedoch auch auftreten, wenn Lernende mehr über den Einfluss von Datentechnologien auf ihre Lebenswelt erfahren. Daher ist es wichtig, kritische Datenbildung wohlüberlegt anzugehen.

Was allerdings wichtig ist: Resignation ist nicht gleichzustellen mit Zustimmung zur Datensammlung, sondern beschreibt vielmehr das Gefühl, die Kontrolle der eigenen Daten aufgegeben zu haben.

Im nächsten Kapitel werden wir weiter darauf eingehen, wie Sie als pädagogische Fachkraft dieser Resignation begegnen können.

Optimistisch bleiben

In den letzten Jahren zeigt sich ein deutlicher Wandel in Bezug auf den Umgang mit Daten – und zwar zum Besseren! Zuvor gingen Wirtschaft und Politik häufig davon aus, dass BürgerInnen kein Problem damit haben, wenn ihre persönlichen Daten gesammelt und analysiert werden, da sie ja ‚nichts zu verbergen‘ haben. Diese Annahme wurde mittels zahlreicher Studien widerlegt.

Tatsächlich zeigt die Forschung neben einer Wissenslücke zu Datentechnologien und fehlenden Datenschutzfähigkeiten vor allem auch den großen Wunsch vieler Menschen nach mehr Transparenz, Kontrolle und Handlungsfähigkeit.

Wir haben diesen Leitfaden entwickelt, um Bewusstsein für die weitreichenden Auswirkungen von Datentechnologien zu schaffen und pädagogische Fachkräfte darin zu unterstützen, dieser Wissenslücke mit Mut und Motivation zu begegnen.

Sowohl bessere Bildung über die Funktionsweisen von Datensystemen als auch mehr Kontrolle und Regulierung dieser Technologien sind dringend nötig.

Wir möchten alle pädagogischen Fachkräfte ermutigen, Themen rund um digitale Technologien, Daten und Datensysteme in ihre Bildung zu integrieren. Diese Themen sind für eine Vielzahl von Bildungssettings relevant – vom Kindergarten bis zur Universität, von der Einführung in die Informatik bis hin zu Datensicherheitstrainings, von Wirtschaftslehre bis zu politischer Bildung oder kritischem Denken.