„Zur Weiterentwicklung der KMK-Strategie ‚Bildung in der digitalen Welt‘“ der „Ständigen wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK)“
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Die „Ständige wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK)“ hat am 07.10.2021 eine Stellungnahme „zur Weiterentwicklung der KMK-Strategie ‚Bildung in der digitalen Welt‘“ (2016) veröffentlicht, die wir vor allem aufgrund ihrer unmittelbaren Relevanz für die KMK-Arbeit der nächsten Jahre mit großer Sorge zur Kenntnis nehmen.
Die gesamte Stellungnahme ist unter folgendem Link abrufbar. Zentrale Inhalte sind des Weiteren u.a. in einem Interview von Jan-Martin Wiarda mit den Vorsitzenden der SWK sowie in einem Artikel von Heike Schmoll in der FAZ (beide ebenfalls vom 07.10.2021) zusammengefasst.
Rolle rückwärts?
Die zentrale Zielsetzung der Stellungnahme ist der umfassende und weitere Ausbau der Nutzung und Anwendung von digitalen Medien in Schule. So habe sich, so die interviewten AutorInnen, das „Mindset“ der Lehrkräfte durch die Coronakrise in die richtige Richtung entwickelt, sodass sich nun ein ideales „Window of Opportunity“ ergäbe, grundsätzlich und strategisch die Digitalisierung an Schulen weiterzuentwickeln und voranzubringen.
Zwar wird kritisch thematisiert, dass es an stringenten Konzepten und Kompetenzen sowohl auf politischer Ebene als auch in der Lehrkräftebildung fehle. Zugleich werden in den sechs zentralen Handlungsempfehlungen gänzlich Maßnahmen angeregt, die zu einem ‚besseren‘, ‚optimierten‘ MEHR an Digitalisierung für und in Schulen führen sollen und damit eine klare Priorisierung vermeintlicher „Chancen“ und „Möglichkeiten“ der Digitalisierung von Lehr-Lern-Settings vorgenommen. Auch die Definition „digitaler Bildung“ im Sinne der SWK scheint gänzlich anwendungsbezogene Kompetenzvermittlung (im Papier genannt: 1. Digitale Kompetenzen, 2. Informations- und computerbezogene Grundbildung / ICT-Literacy, 3. Informatische Kompetenzen) in den Fokus zu stellen.
Irritiert sind wir weniger davon, dass ein derartiger Anwendungsfokus ein weiteres politisches Empfehlungspapier dominiert (es ist nicht das einzige), sondern dass ausgewiesene BildungsforscherInnen eine Perspektive zu favorisieren scheinen, die das interdisziplinäre Forschungsfeld zur Digitalisierung von Bildung (u.a. in der Medienpädagogik, Critical Data Studies-Forschung, Medien- und Kommunikationswissenschaft, Informatik, kulturellen und politischen Bildung, Bildungssoziologie, Technikphilosophie, Medienethik, Technikfolgenabschätzung, Critical Data/Digital Literacy-Forschung oder den Science and Technology Studies etc.) unseres Erachtens längst überwunden hat (z.B. Stichwort: Dagstuhl-Erklärung bzw. Frankfurter Dreieck; s. auch Kommentar der GMK zur KMK-Strategie von 2016). Mit einem Einschwenken auf ein derartiges Narrativ würde die KMK mit anderen Worten eine Rolle rückwärts machen, die sie quasi vor den Stand von 2016 zurückwirft und zahlreiche Erkenntnisse, die in der Zwischenzeit gewonnen wurden, ungenutzt lässt. Hierzu zählen der Stellenwert einer umfassenden Medienbildung (Bildung ÜBER Medien) bzw. Medienmündigkeit sowie die Vermittlung und Diskussion grundsätzlicher sozio-kultureller, ästhetischer, pädagogischer, ökologischer, ökonomischer, gesundheitlicher und politischer Dimensionen der Digitalisierung. Nur so kann eine demokratisch orientierte Gestaltung von Bildung im digitalen Zeitalter gelingen.
In Anbetracht der politischen und gesellschaftlichen Tragweite der Gestaltung „digitaler Bildung“ durch die KMK ist die Stellungnahme der SWK wie gesagt hochgradig besorgniserregend. Umso essentieller ist es – so unsere Meinung –, diese interdisziplinär und gesamtgesellschaftlich (kritisch) zu diskutieren. Gerne kommen wir hierfür mit den AutorInnen der SWK-Stellungnahme ins Gespräch.
Wir von UBTB haben entsprechend bereits Kontakt zu uns nahestehenden Netzwerken und KollegInnen aufgenommen, um eine tiefergehende, inhaltlich differenzierte Auseinandersetzung mit der SWK-Stellungnahme voranzutreiben. Wir werden Sie diesbezüglich auf dem Laufenden halten!
In jedem Fall freuen wir uns über eine Weiterkommunikation der hier genannten Informationen sowie über Anregungen Ihrerseits an uns.